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mehrfachen Dollar-Millionären gemacht hat. Und als sie entdeckten, dass ihre Fans ihre Spiele knackten und eigene Versionen ihres ersten Erfolgsspiels »Wolfenstein 3D« entwickelten – haben sie etwa nach dem Staatsanwalt gerufen? Nein, sie haben die Möglichkeit, eigene Lesarten ihrer Spiele zu schaffen, als Feature in ihre nächsten Veröffentlichungen integriert! David Kushner beschreibt die Konsequenzen in seinem Buch »Masters of Doom«, einer Art Biografie von id Software. Protagonisten der Szene sind John Carmack und John Romero, die Gründer von id Software und eine Art Lennon/McCartney des Computergames: »’Hey’ Romero told Carmack one day at the office, ›There is something you have to see‹. He booted up ›Doom‹ — or at least what was supposed to be ›Doom‹ – on his computer. Instead, the trumpeting theme of the ›Star Wars‹ movie began to play. The screen filled with not ›Doom’s‹ familiar opening chamber but instead a small, steel-colored room. Romero hit the space bar, and a door slid open. ›Stop that ship!‹ a voice commended from within the game. Carmack watched as Romero jolted down the hall past bleeping droids, white Stormtroopers, laser guns, thedeep bellows of Darth Vader. Some hacker had completely altered ›Doom‹ into a version of ›Star Wars‹. Wow, Carmack thought. This is gonna be great. We did the Right Thing after all.« [3] Wenn man nach einer Urszene für die Künstler sucht, die sich mit Computerspielen beschäftigt, dann könnte es diese hier sein. Wenn man nach einer Urszene für die wesentlich größere Community von Gamern sucht, die Tag für Tag ihre Freizeit damit verbringen, ihre Lieblingsspiele nach ihrem Gusto zu verändern und eigene Versionen zu generieren – dann ist es wohl auch diese hier. Doing the right thing – das heißt in diesem Zusammenhang, sein eigenes Werk »Doom« nicht so wichtig zu nehmen und anderen Hackern die Möglichkeit zu bieten, das Spiel nach eigenem Gutdünken zu modifizieren. Oder – paradoxerweise – gerade: sein eigenes kulturelles Produkt »Doom« genau so wichtig zu nehmen, dass man Hackern die Möglichkeit bot, das Spiel so zu modifizieren, wie es ihnen beliebte. Mit »Doom« war aus einem Game ein Medium geworden, eine Möglichkeit, eigene Welten zu generieren. id Software gab seinen Kunden mit »Doom« ein potentes Stück Software für die Gestaltung
dreidimensionaler Räume in die Hand. Es mag 1994 zwar Methoden gegeben haben, bessere 3D-Simulationen auf dem PC zu generieren als mit »Doom«. Aber so leicht? Das Ballerspiel, das wegen seiner Gewalttätigkeit in Deutschland sofort einen Ehrenplatz auf der Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften erhielt, war so programmiert, dass man sich selbst ins Spiel einschreiben konnte. Man brauchte zwar Erfahrung im Umgang mit Computern, aber programmieren können musste man nicht. »This was a radical idea not only for games but for any media«, urteilt David Kushner. »It was as if a Nirvana CD came with tools to let listeners dub their own voices for Kurt Cobain’s or a Rocky video let viewers excise every cranny of Philadelphia for ancient Rome.« [4] Am 25. Januar, etwas mehr als einen Monat nach der Internet-Veröffentlichung von »Doom«, publizierte Brendon Wyber, ein Student der University of Canterbury in Neuseeland, im Netz den Doom Editor Utility (DEU). Dieses – immer wieder verbesserte – Programm, das mit der Hilfe von Amateur-Programmierern aus der ganzen Welt entstand, machte es noch leichter, »Doom« zu hacken und eigene Versionen zu basteln. »Doom«,gekreuzt mit »Star Wars«? Warum nicht eine Version von »Doom«, bei der die Simpsons gegen Ronald McDonald kämpfen? In den kommenden Jahren tauchten immer wieder Presseartikel auf, in denen beschrieben wurde, wie Schüler ihr Gymnasium in Form eines Ballerspiels nachgebaut hatten – die meisten von ihnen haben dafür »Doom« oder sein Nachfolge-Spiel »Quake« benutzt, zu dem es bereits einen ausgereiften »Level-Editor« gab – gefolgt von lauter Empörung darüber, dass Jugendliche ihre Schule zum Austragungsort virtueller Baller-Orgien machten. Die Kritik übersah freilich, dass die Jugendlichen dafür gelernt hatten, mit einem Programm zu arbeiten, das avancierte 3D-Modellierungen erlaubte und dessen Benutzung einige Jahre zuvor noch das Privileg der Industrie und gut ausgestatteter akademischer Forschungslabore gewesen war. Andere Spiele zogen nach, gaben ihren Nutzern ebenfalls Tools zur Spielgestaltung in die Hand und machten aus Konsumenten Produzenten von virtuellen Phantasiewelten. Bei dem Actionspiel »Half-Life« gingen die Modifikationen so weit, dass ein komplett neues Spiel entstand: »Counterstrike«, das eins der erfolgreichsten
Computerspiele aller Zeiten werden sollte. Inzwischen gehört die Möglichkeit, Spiele zu modifizieren, mehr oder weniger zur Standard-Ausstattung. Die von Gamern gestalteten Spielfiguren, Maps und Levels – also die ›Spielfelder‹« der Computerspieler – werden oft im Internet zum Download angeboten und bringen ihren Schöpfern Prestige in der Szene. Die Raumdarstellungen, die diesen Level prägen, waren Anfang der 1990er Jahren noch der Heilige Gral akademischer Computer- Visualierung gewesen. Durch »Doom« und »Quake« kam diese Technik in die Kinderzimmer. Und in die Künstlerateliers. Die Möglichkeiten, die Computerspiele ihren Schöpfern boten, blieben besonders Künstlern, die mit neuen Medien oder dem Internet arbeiten, nicht lange verborgen. Der erste Versuch eines Künstlers, ein Computerspiel[5] als künstlerisches Medium zu nutzen, scheint »ars doom« von Orhan Kipcak und Reinhard Urban gewesen zu sein. Ihr Spiel, das bei der ars electronica 1995 gezeigt wurde, war eine krude Satire auf den Kunstbetrieb, die unübersehbar in der Tradition der Kontext-Kunst der frühen 1990er Jahre steht.In Blitzreview schreibt Verena Kuni über das Spiel: »›Keiner hilft keinem‹, knurrt das alter ego des Spielers hinter-schlickig, während es — wahlweise mit Schrotflinte, Pinsel oder anderem Werkzeug bewaffnet als Nitsch, Baselitz oder Beuys durch die Katakomben stolpert. Diese sind wiederum unschwer als digitales Modell des Brucknerhauses [der Veranstaltungsort der ars electronica – Anm.TB] zu identifizieren, wobei sich dessen etwas steifer Seventies-Charme eher unfreiwillig mit der Doom-üblichen SS-Kerkerästhetik paart.« Ein Bericht für ORF-Online beschreibt die Arbeit so: »Nach dem Einstieg übers Internet bekommt man eine Charaktermaske, etwa die von Georg Baselitz, Nam June Paik oder Arnulf Rainer. Dann darf man mit deren Werkzeug — Baselitz' Daumen, Paiks Videofernbedienung oder Rainers Pinsel — Kunstwerke und Künstler zerstören.«[6] Zu den Gegnern gehörten auch andere Künstler und Kritiker, als »beteiligte KünstlerInnen« nennt der Beitrag im Katalog der ars electronica unter anderem Ecke Bonk, Heimo Zobernig, Jörg Schlick und Peter Kogler. [7] Beliebtestes Opfer der »ars doom«-Spieler soll Ausstellungsleiter Peter Weibel gewesen sein.[8]
Die Arbeit leitete eine gewisse Tradition ein: Computerspiele als Kommentar auf den Kunstbetrieb und seine Institutionen einzusetzen, haben anschließend auch Künstler wie Tobias Bernstrup und Palle Torsson (siehe unten) sowie Florian Muser und Imre Osswald (mit einem Level, das nach dem Vorbild der Hamburger Galerie für Gegenwart gestaltet war[9]) angestrebt. Zu den ersten Künstlern, die sich mit Spielen als Medium beschäftigt haben, gehört auch das Künstlerduo Jodi, die allerdings einen gänzlich anderen ästhetischen Weg einschlugen. 1999 haben sie als Gäste des Budapester Medienkunst-Labors C3 eine erste Modifikation von dem Ego-Shooter »Quake« gemacht [10], der seither unter dem Titel »Untitled Game« immer neue Varianten gefolgt sind .[11] Diese weichen in immer stärker Besorgnis erregender Weise von Aussehen und Regeln des Originalspiels ab. Auch Margarete Jahrmann und Max Moswitzer haben etwa zur selben Zeit mit ihrer Arbeit »LinX3D« (1999) das Spiel »Unreal« zu einer abstrakten Auseinandersetzung mit der »Materialität« von Code gemacht. Die Arbeiten von Jodi und Moswitzer/Jahrmann führen dabei einige Themen ein, die bald auch andere Künstler interessieren sollten.Während das schlichte Nachbauen von real existierenden Architekturen mit Computerspiel-Architekturen sich schnell als konzeptuelle Sackgasse erwies, konzentrierten sich diese Künstler auf die spezielle Bildlichkeit der Spiele. Diese wurden in einer ähnlichen Manier einer gnadenlosen Dekonstruktion unterzogen wie zuvor in den Internet-Arbeiten von Jodi Webseiten. Jodi war die Manipulation der grafischen Oberfläche nicht genug; sie begannen auch, sich für die nicht-visuellen Aspekte der Software zu interessieren. Dazu gehören zum Beispiel die Benutzerführung und die ›Spielphysik‹, die Jodi bis zur fast vollkommenen Unbrauchbarkeit des Spiels veränderten. Künstler wie Tom Betts und Joan Leandre sind bei ihrer Arbeit von diesem Ansatz ausgegangen. In diesem Text soll es um Kunst gehen, die aus der Auseinandersetzung mit Games entstanden ist. Dabei stehen Arbeiten im Mittelpunkt, die sich des Codes von Computerspielen bemächtigen und ihn als Grundlage für eigene Werke verwenden. Darauf beschränken will ich mich allerdings nicht. Es scheint in der Natur dieser Thematik zu liegen, dass sie sich nicht auf das ›reine‹« Abarbeiten am Code beschränken lässt,
sondern dass Künstler sich mit allen Facetten des vielschichtigen Themas Computerspiele beschäftigt haben. Das schließt ausdrücklich auch Ausflüge in ›traditionellere‹« Bereiche von Kunstproduktion – wie Malerei, Installation oder Video – ein. Einen angenehmen Nebeneffekt hatte diese Vielseitigkeit für die Ausstellung »games. Computerspiele von KünstlerInnen«, die 2003 bei »hARTware medien kunst verein« zu sehen war.[12] Die Präsentation, die ich konzipiert und zusammen mit den hARTware-Machern Iris Dressler und Hans D. Christ kuratiert habe, musste sich nicht darauf beschränken, Computerprogramme auf Rechnern zu zeigen, sondern bezog auch Installationen, Wand- und Videoarbeiten mit ein. Aus der Arbeit an dieser Ausstellung haben sich die folgenden Gedanken entwickelt[13] Ich habe die folgende Übersicht in drei lose Kategorien unterteilt: Abstraktion, Modifikation und Sozialisation. Während es in der ersten Abteilung um Arbeiten gehen, die recht direkt an die historischen Methoden der grafischen Abstraktion anschließen, stehen in der zweiten Kategorie Werke im Mittelpunkt, bei denen es um den direkten, künstlerischen Eingriff in die Software geht.Die Arbeiten, die in der Kategorie ‚Sozialisation’ behandelt werden, verlassen den engen Bereich der direkten Interaktion mit dem Computerprogramm, und beschäftigen sich mit dem sozio-kulturellem Umfeld von Games: ihren Spielen, ihrer Rezeption und ihrer Position in der »wirklichen Welt«, in der sie Bestandteil eines komplexen Zusammenhangs von Technologie, wirtschaftlichen Interessen und einer hoch entwickelten Fan-Kultur sind.
während die Künstler sehr viel weitergehende Veränderungen vornehmen, die zum Teil dazu führen, dass die Spiele vollkommen unspielbar werden. Gerade die verschrieenen ›Ballerspiele‹, also die so genannten »Ego-Shooter«, stellen ihren Nutzern inzwischen oft leistungsfähige Programme zur Gestaltung dreidimensionaler Räume, die so genannten »Level-Editoren«, zur Verfügung. Mit ihnen sollen ihre Spieler eigene ›Level‹ gestalten – eine Methode, um Gamer länger an ein bestimmtes Spiel zu binden. Diese Programme werden inzwischen zum Teil sogar von Architekten genutzt, um ihre Entwürfe zu visualisieren. Die »Ego-Shooter«, die ein Spiel aus der Perspektive der handelnden Personen zeigen, handeln immer auch von der Darstellung von Perspektive und Räumlichkeit. Gerade der Illusionscharakter der so entstandenen Räume hat Künstler an diesen Programmen von Anfang an interessiert. Die so entstandenen Versionen zweckentfremden die kommerzielle Game-Software. Diese Modifikationen dringen wie Parasiten in das vorgefundene Programm, das sie umgestalten und – zum Teil bis zur totalen Unkenntlichkeit – verfremden, und so ihren eigenen künstlerischen Zielen nutzbarmachen. »Like the sampling rap MC«, schreibt die Künstlerin Annemarie Schleiner über diese Arbeiten, »game hacker artists operate as culture hackers who manipulate existing techno-semiotic structures towards different ends or, as described by artist Brett Stalbaum, ‘who endeavor to get inside cultural systems and make them do things they were never intended to do.’« [14] Die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts ist voll von Beispielen derartiger Aneignungen und Umwidmungen: die »Ostranenie« Wladimir Shklovskys[15], Bertolt Brechts »Verfremdungseffekt«, die Rekontextualisierungen der Pop Art oder das »Détournement« der Situationisten. Die Zweckentfremdung ästhetischer Fertigteile kann als eine der folgenreichsten und tragfähigsten Ideen der modernistischen Kunst gelten. Der Medienwissenschaftler Claus Pias hat auf die Parallelen zwischen den künstlerischen Modifikationen von Spielen und der Appropriation Art der 80er Jahre hingewiesen. Allerdings schränkt er zugleich ein, dass »es nicht um jene Diskreditierung der Ideologie der Originalität, Authentizität oder Kennerschaft geht, von der diese ihr kritisches Projekt innerhalb der
Institution Kunst aufnahm… Wenn es… eine ›Ideologie des Computerspiels‹ gibt, die durch Aneignung zu dekonstruieren wäre, dann liegt diese vielleicht in der humanistischen Arroganz, das Spiel in der Verfügung des Subjekts zu wähnen.«[16]
»Schwarzem Quadrat« an den Wänden hängen; die Nazis sind zu schwarzen Dreiecken geworden, die man nur noch daran erkennt, dass sie gelegentlich »Achtung!« schreien. Von allen Game-Modifikationen, die Jodi produziert haben, ist es in grafischer Hinsicht die reduzierteste, aber gleichzeitig respektiert sie die Spielmechanik des Originalgames. SOD ist durchaus spielbar und bringt durchaus den in Rezensionen von Computerspiel-Zeitschriften so viel zitierten »Spielspaß«. Dadurch ist das Spiel auch eine Hommage von Jodi an die Programmierer von id Software und ihre technischen Durchbrüche, die sie bei der Darstellung von dreidimensionalen Räumen auf dem PC geleistet haben.
befindliches, ungegenständliches Bild, und so könnte man die Arbeit auch als mit den abstrakten Eigenschaften von Computerspielen befasst betrachten – wäre da nicht die Quelle, aus der sich diese Bilder speisen: Tom Betts betreibt einen eigenen Server, über den die Fans des Ballerspiels über das Internet gegeneinander spielen können. Ohne dass die Spieler es wissen, werden die Datenspuren, die sie auf dem Server hinterlassen, gesammelt und zum Teil der Arbeit; »QQQ« ist also zugleich ein getarntes Netzkunstwerk und verlängert die Arbeit, die etwas von einer unbewussten Performance bekommt, über den White Cube des Ausstellungsraums hinaus. Die Daten steuern die Bilder, die der Betrachter im Ausstellungsraum sieht: ein schillerndes Durcheinander von Farben und Formen, auf das der Betrachter allerdings fast keinen Einfluss hat. Er kann lediglich die Perspektive ändern, aber weitergehende »Interaktivität« bietet »QQQ« nicht. Betts hat mit »QQQ« nicht nur die Oberfläche des Spiels modifiziert, sondern gleich die gesamte komplexe, technische Infrastruktur eines Online- Spiels, und er hat das Milieu der Spieler dazu in seine Arbeit einbezogen. Installiert ist die Arbeit manchmalganz ruhig, erwacht aber plötzlich in der Nacht oder an Wochenenden zu dröhnendem Leben, wenn in den Industriestaaten die Online-Zocker gegeneinander antreten. Und gelegentlich ohne Vorankündigung das Spiel verlassen. Dann bleibt das Bild, das wir aus der Perspektive eines Kämpfers gehen sehen haben, plötzlich stehen und wird sehr, sehr still.
anderen Computerspielen versucht Flickinger nicht, die Wirklichkeit so getreu wie möglich zu imitieren, sondern hat sich ein sehr idiosynkratisches Paralleluniversum geschaffen, das den Status Quo von Spielgestaltung in Frage stellt.
»The video game began with perhaps the harshest restrictions encountered by any nascent visual medium in regard to graphic representation«, schreibt der amerikanische Medienwissenschaftler Mark J.P. Wolf. »So limited were the graphic capabilities of the early games, that the medium was forced to remain relatively abstract for over a decade.« [20] Wie viele Computerspieler, die in den 1970er und frühen 1980er Jahren mit Games sozialisiert worden sind, ist auch Wolf der Meinung, dass die graphische Weiterentwicklung von Computerspielen, die inzwischen die Schaffung von fast täuschend echte fotorealistischen Fantasiewelten erlaubt, ästhetisch nicht nur ein Fortschritt ist: »This great, untapped potential will only be mined by deliberate move back into abstract design that takes into consideration the unique properties of the video game medium.«[21] Viele der Künstler, die Computerspiele modifizieren, haben ihm diesen Gefallen getan, und betonen gerade die abstrakten, nicht dinggebundenen Aspekte von Computerspielgrafiken. Man muss kein Anhänger der in der deutschen Medientheorie beliebten Jahreszahlenmystik sein, um zu bemerken,dass die optisch karge Frühzeit der Computerspiele in eine Periode fällt, in der auch in der Kunst bildnerische Sparsamkeit als Tugend galt. In der Epoche, in der Computerspiele wie »Spacewar« (1962), »Pong« (1972) oder »Astroids« (1973) nur aus zweidimensionalen Elementen vor schwarzem Hintergrund bestanden[22], war auch in der Bildenden Kunst in der Folge von Minimal Art und Konzeptkunst eine radikale Verknappung en vogue. Und die Parallelen enden nicht bei der kargen Optik: Künstler wie z.B. John F. Simon Jr. (der in den 1990er Jahren zu den ersten Softwarekünstler gehörte) haben immer wieder auf die Berührungspunkte zwischen Konzept- und Software-basierter Kunst hingewiesen. »Ich sehe Parallelen zwischen meinem Werk und den Arbeiten, die Leute wie Lawrence Weiner und Sol Lewitt Ende der 1960er Jahre gemacht haben«, sagt Simon. »Besonders ihre Wandzeichungen waren nichts anderes als eine Reihe von Anweisungen (a set of instructions)… Ich glaube, dass Software und Programmieren eine natürliche Fortsetzung dieses Konzepts sind, weil Software im Grunde genommen nichts anderes ist als eine Reihe von Anweisungen… Man könnte die Ideen einiger
Konzeptkünstler tatsächlich als Programm schreiben und dann von einem Computer ausführen lassen. Die Kunstwerke würden dann einfach sich selbst ausführen. Oder, einfacher gesagt: Die Kunst tut, was sie sagt. So betrachte ich auch meine Programme.« [23] Auch Florian Cramer hat diese Argumentation aufgenommen, betont allerdings, Softwarekunst sei heute im Vergleich zu ihren historischen Vorgängern »nicht mehr Laborkonstrukt und Paradigma konzeptualistischer Purifikation, sondern seit der Verbreitung von PC und Internet fehlerbehafteten Code, Verursacher von Abstürzen, in Inkompatibilitäten, Viren, von Kontingenz also statt Stringenz der Symbole.« [24] Das Paradigma des Defekts hat auch bei den künstlerischen Modifikationen von Computerspielen eine Rolle gespielt, wenn auch interessanterweise eine wesentlich geringere als bei Netz- und Softwarekunst. Die Störung – oder sollte man sagen: die kreative Abwandlung? – steht dabei vor allem bei Arbeiten im Mittelpunkt, die sich genau darauf konzentrieren, die genuine Bildlichkeit von Games als ›visuellen Rohstoff‹ zu benutzen, wie zum Beispiel Arcangel Constantinis »Atari Noise«oder Jodis »JET SET WILLY ©1984«. Im Folgenden will ich beispielhaft einige dieser Arbeiten vorstellen, die sich explizit mit den abstrakten Darstellungsformen von Computerspielen beschäftigen.
er einige Elemente der Spielkonsole so miteinander kurzgeschlossen hat, dass sie nicht mehr die ›richtigen‹« Bilder zeigt, sondern ein chaotisches Durcheinander von verzerrten Bildelementen. Aus einem Tennisspiel wird so zum Beispiel eine Reihe von grünlichen und bläulichen Linien, in denen man nur mit sehr viel gutem Willen noch etwas von der Vorlage erkennen kann. Auf dem Chassis der Konsole hat Constantini eine Reihe von Knöpfen angebracht, mit denen man das Bild immer wieder modifizieren kann. Diese Dekonstruktion von visuellem Rohstoff steht nicht nur in einer langen, modernistischen Tradition der Verfremdung, der wir auch bei den Modifikationen im nächsten Kapitel wieder begegnen werden. „Atari Noise« verweist auch auf eine der wichtigsten Arbeiten der Medienkunst: den »Videosynthesizer« (1969/92) von Nam June Paik – allerdings in einer Low-Tech-Version. Während Paik seinerzeit den Techniker Shuya Abe engagieren musste, um eine Maschine zu entwickeln, mit der man bewegte Bilder in Echtzeit manipulieren konnte, reflektiert »Atari Noise« eine Medienkultur, in der die dafür erforderliche Hardware als Elektroschrott angeboten wird. Die immer wieder neuen Bilder, diedie Maschine generiert, heben die besondere Beschaffenheit dieser »Game Screens« durch abstrakte Verzerrung hervor und macht deutlich, dass es schlicht kein anderes Medium gibt, das solche Bilder hervorbringt.
machen würden. Dann bewegen sich bunte Vierecke durch einen aus dicken Balken zusammengesetzten Raum, so dass man unwillkürlich an ein Mondrian-Gemälde denkt. Weitere Versionen der »Jet Set Willy © 1984«-Software entwickeln diese Ästhetik in eine andere Richtung weiter, indem sie zum Beispiel alle Farben aus dem Spiel entfernen oder die Spielszenarios durch reinen Text ersetzen. Die Arbeit ist daher zwar einerseits eine Modifikation des vorgefundenen Spiels, die an die Arbeiten von Tom Betts oder Jodis eigene Modifikationen von » Wolfenstein 3D« und »Quake« erinnert. Doch indem Jodi eine gespielte Version als Video zeigen, nutzen sie ihr Werk – ähnlich wie die Machinima-Filmer – als Software, um damit eigene Filme zu produzieren und geben der Arbeit damit eine andere konzeptuelle Richtung. Statt der Demontage der ›Inhalte‹ des Programms steht nun seine Umwidmung als Tool zur Generierung von Animationen im Vordergrund.
werden. Oder die Amateur-Grafiker, die mit der »Photo- Album«-Funktion von »Die Sims« ganze Fotoromane erstellen. J.C. Hertz spricht von »a decentralized culture that rapidly learns, adapts and selects for best practices. This culture and its processes are perhaps the industry’s greatest assets.« [27] Die Arbeiten, die im Folgenden beschrieben werden, beschäftigen sich mit der Sozialkultur, die sich um die Computerspiele gebildet hat. Und sie werfen »›von außen‹« einen Blick auf ihren Gegenstand. Statt sich mit dem Innenleben der Spiele, dem Code, auseinander zu setzen und statt ihre Oberfläche zu thematisieren, geht es ihnen darum, wie Computerspiele in der »›wirklichen Welt‹« verortet sind – sei es über die Elemente, über die wir mit ihnen interagieren, sei es über die Form ihrer Konstruktion. Sie überprüfen ihr Interface mit dem Realen und machen uns bewusst, wie beschränkt unser Zugriff auf die virtuellen Welten trotz allen technischen Fortschritts nach wie vor ist.
schwer zu fassenden Thema Desktop-Software zugewandt, bevor sie schließlich das Massenphänomen Computerspiel für sich entdeckten. Die Entdeckung dieses lebensweltlichen Themas in der digitalen Kunst hat also ihre Zeit gebraucht, obwohl sich Computerspiele zu diesem Zeitpunkt bereits seit fast vierzig Jahren als Gegenstand künstlerischer Modifikationen angeboten hätten. Wer als Künstler mit Computerspielen arbeitet, verhandelt ein Sujet, das ein inzwischen nicht mehr wegzudenkender Teil von Pop-Kultur ist, auch wenn es – wenigstens in Deutschland – gesellschaftlich marginalisiert ist. Diese Marginalisierung steht freilich in keinem Verhältnis zur kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung von Computerspielen. Mit Games werden allein in den USA jährlich 2,5 Milliarden Dollar verdient. Sie sind Teil der medialen Sozialisationen der meisten Jugendlichen in den westlichen Industriestaaten und zugleich eine der wichtigsten Motivationen, immer schnellere und leistungsfähigere Computer zu bauen. Die künstlerischen Experimente mit Computerspielen beziehen sich nicht nur auf Code, sondern neben diesem ganzen kulturellen und wirtschaftlichenKomplex auch auf eine gewachsene Sozialkultur, die sich um Computerspiele gebildet hat. Kunst, die sich mit Computerspielen beschäftigt, hat daher auch schnell die Grenzen gesprengt, in denen sich der größte Teil von Netz- und Software-Kunst bewegt. Gleichzeitig hat die Kunst mit den Games ein Sujet gefunden, mit dem sie strukturell viel gemeinsam hat. Der holländische Historiker John Huizinga hat in seinem bekannten Essay „Homo Ludens« überzeugend dargestellt, dass das scheinbar so regressive Spiel in Wirklichkeit der Ursprung menschlicher Kultur ist und damit auch der bildenden Kunst. Huizingas Anmerkungen zur zeitgenössischen Kunst seiner Zeit bleiben zwar eher an der Oberfläche [29], doch viele der Elemente, die er für das Spiel als elementar beschreibt, gelten auch für die Kunst: ihre scheinbare Sinn- und Zwecklosigkeit, ihre Position jenseits des Alltagslebens, ihr ›ewiges Kindsein‹. Auch wenn zahlreiche Künstler des 20. Jahrhunderts Elemente des Spiels in ihre Arbeiten integriert haben, sind es erst Arbeiten wie die oben beschriebenen, in denen Kunst und Spiel in dieser sich gegenseitig ergänzenden Form zusammen kommen.