Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser.

Themenicon: navigation pathMedienkunst im Überblickicon: navigation pathAudio
 
I Am Sitting in a Room; for voice on tape (Lucier, Alvin), 1970Dream House (La Monte Young), 1962
 
 
 

icon: previous page

Entzeitlichung

Bei DeMarinis löst sich schon auf, was das Erzählen hauptsächlich ausmacht: Narration verfolgt eine Linie, steuert entlang einer vorgegebenen oder auch ad hoc entwickelten Dramaturgie auf einen Endpunkt zu, strebt oft eine Auflösung oder Entspannung an. Nimmt man dem Erzählen diese Linie, dann bleibt eine entzeitlichte Geste des Zeigens. Entzeitlicht muss dabei nicht heißen, dass Dauer keine Rolle spielt, sondern nur, dass nicht die logische Abfolge vom Anfang zum Ende im Fokus steht. Zeitdauer bietet nur ›Raum‹ für eine gedehnte Momentaufnahme oder eine multiperspektivische Ansicht eines Phänomens. Zweck solcher Zeitdehnung ist die Konzentration auf ein einzelnes Phänomen, eine Art Detailaufnahme oder Purifikation desselben.

Alvin Luciers Performance »I Am Sitting in a Room« (1969) basiert auf einer stetigen Entwicklung von einem Zustand zu einem anderen. Tatsächlich aber hören wir nur verschiedene Stufen ein und desselben Phänomens, der spezifischen Resonanz eines Raums. Lucier spielt seine Stimme über Lautsprecher in den Raum ein und nimmt den Klang immer wieder auf, bis der Text durch die Resonanzfrequenzen des Raums unkenntlich wird. Der zu sprechende Text ist Libretto,

 

Partitur, Ausführungsanweisung und Kommentar in einem.[56] Indem ein Verhältnis umgedreht wird, wechselt die Perspektive: Im normalen Verständnis ist der Raumhall färbendes Anhängsel sich klingend ausdrückender Objekte. Hier nun drückt sich der Raum im Nachhall eines klingenden Objekts aus, dessen Klangqualität nur färbende Beigabe des Raumerlebnisses ist. Der Raum wird vom umgebenden Kontext zum Objekt.

La Monte Youngs Installationen lassen die Zeit in unterschiedlichen Graden still stehen. 1962 schon konzipierte er das »Dream House« als eine Art Labor, in dem er in den 1980er Jahren Langzeiteffekte rein gestimmter Intervalle von Sinustönen auf die Psyche untersuchte. Die Serie der »Drift Studies« erforscht das sublime Phänomen eines minimal verstimmten reinen Intervalls. Spätere Installationen mit großen Sets minutiös gestimmter Sinustöne bilden durch Interferenzen unendlich komplexe Lautstärkeverteilungen der einzelnen Frequenzen im Raum. Jeder Ort enthält andere Tonkombinationen. Bewegt sich der Hörer, so hört er ein Gewitter wechselnder Klangmuster, ist er ruhig, so bleibt die Musik in der Zeit stehen.[57]

icon: next page