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Jeffrey Shaw »Viewpoint (Standpunkt)«
Jeffrey Shaw, »Viewpoint (Standpunkt)«, 1975
Fotografie | © Jeffrey Shaw


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 Jeffrey Shaw
»Viewpoint (Standpunkt)«

»In dieser Arbeit wurde im Raum eines Museums (Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 9. Biennale de Paris, Frankreich, 1975) eine Collage fiktiver Ereignisse kreiert, indem Bilder solcher Ereignisse projiziert wurden, die mit dem realen Raum und den tatsächlich darin stattfindenden Situationen zusammenzufallen schienen. Zwei Strukturelemente konstituierten diese Arbeit: eine optische Sichtkonsole und eine große rückreflektierende Projektionsleinwand. Die Sichtkonsole bestand aus einer Holzkonstruktion, in die zwei automatisch gesteuerte Diaprojektoren eingebaut waren. Ein semitransparenter Spiegel, der in die Konsole eingelassen war, diente zum einen als Fenster, durch das der Betrachter schauen konnte und zum anderen als reflektierende Oberfläche, die die projizierten Bilder auf die Leinwand lenkte. Die Leinwand selbst besaß eine spezielle Oberflächenstruktur, die das auf sie projizierte Licht wieder zum Projektionssystem zurücklenkte. Das projizierte Bild konnte somit nur durch die Konsole gesehen werden – von jedem anderen Standpunkt des Raumes aus erschien die Leinwand nur als leere graue FLäche. [...] die Bilder [zeigten] exakt den Teil des Museumsraumes, der von der Leinwand verborgen wurde, so daß ein nahtloser Übergang zwischen virtuellem und realem Raum geschaffen wurde. Besucher, die an der Leinwand vorbeigingen, bemerkten nicht, daß sie die Installation betreten hatten und Teil des viesuellen Raumes des projizierten Bildes geworden waren. Zwölf verschiedene Szenen waren vor Beginn der Ausstellung im Museumsraum inszeniert und fotografiert worden. Sie waren als Diasequenzen programmiert, die eine synoptische Animation der Ereignisse herstellten. [...] Die physische Wiederherstellung vergangener Ereignisse in bloß dokumentarischen Fotosequenzen war sowohl überzeugend als auch zweideutig: durch das unnatürliche Zusammenfallen von zwei Zeitebenen erschienen vergangene und gerade stattfindende Ereignisse übereinstimmend und widersprüchlich zugleich. Sobald ein Besucher den Boden der Sichtkosole betrat, wurde eine der zwölf Diaswquenzen ausgelöst. Die projizierten Szenen zeigten verschiedene Begebenheiten, die sich im Museum abspielten, wie beispielsweise einen Besucher, der sich auf einer Museumsbank sein Bett machte und sich dort schlafen legte; den Aufbau der Projektionsleinwand, die allmählich die Sicht auf den hinter ihr liegenden Museumsraum verstellte; einen Besucher, der zu einem der Fenster des Museums ging und es mit einer Spitzhacke einschlug [...oder] das projizierte Farbbild des Raumes wurde wie ein Stück Papier zusammengeknüllt und ließ ein schwarz-weißes Bild des Raumes zurück.«

(Quelle: Jeffrey Shaw – eine Gebrauchsanweisung. Vom Expanded Cinema zur Virtuellen Realität, Anne Marie Duguet/Heinrich Klotz/Peter Weibel (Hg.), Ostfildern 1997, S. 84f.)