Guy van Belle
»Anyware«

Ich drängte ein paar Freunde in Brüssel eine Gruppe mit dem Namen 'code31' zu bilden. Und bald entstanden ähnliche Gruppen in Prag, Brünn, Bratislava, Tokio, Sofia etc.
Das Event nannte sich 'Anyware', und es war Milos Vojtechovsky — ein guter Freund aus einem Medienzentrum und von Radio Jeleni in Prag —, der die Idee hatte, ein Stück auf der Grundlage von Tony Conrads Drone-Klassiker 'Of the making of man and womankind' aus dem Jahr 1972 zu machen.
Wie üblich begannen wir damit, auf unserer Webseite (http://anatomix.waag.org and http://code31.lahaag.org) Material zu sammeln und Ideen zu sondieren, und nach Mails an die verschiedenen Mailing-Listen, die wir betreiben, entschieden wir uns für ein in Echtzeit verbundenes Stück mit folgenden Komponenten:
- eine Gruppe von Musikern, audiovisuelles Streaming aus Prag;
- zwei audiovisuelle Streams aus Brüssel (ich) und Tokio (Akihiro Kubota);
- ein lokaler Künstler in New York (Hae Young Kim am Gameboy)
Als Grundlage dafür benutzten wir Scanned Synthesis, eine der neuesten [Klangsynthese-] Techniken des Physical Modelling, entwickelt vom Pionier Max Mathews. Wir aktivierten schließlich auf beiden Seiten zwei Saiten, indem wir über TCP-IP unsere beiden Syntheseparameter austauschten. Wir sandten uns gegenseitig auch eine kleine visuelle Matrix (60x40 Pixel) mit Farben, die auf dieser Information beruhten, analysierten sie und mischten das Ergebnis auf beiden Seiten zusammen. Wir bauten also wir ein Feedback-System, das aus der Oszillation der selben Daten (aber mit einem Zeitunterschied) über das Netz Audio und Video synthetisierte. Der Output wurde mit dem kostenlosen Quicktime Broadcaster und dem Open Source Darwin Streaming-Server der Waag Society Amsterdam gestreamt. Jede der Gruppen konnte selektiv drei Streams mit Klängen und Bildern aus Prag, Tokio und Brüssel empfangen (und als Input verwenden). Dies wurde in der 'Kitchen' in New York zusammengemischt, wo Hae Young Kim auf dem Gameboy spielte.

Quelle: Guy van Belle: »Teil eines verbundenen Kollektivs«, Neue Zeitschrift für Musik 165/5, Sept./Okt. 2004