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Jeffrey Shaw «The Virtual Museum» Robert Whitman «Two Holes of Water – 3» Jeffrey Shaw «Viewpoint» Wolf Vostell »Fluxus Zug«
Warren Sack
»Agonistics: A Language Game«
\Ag`o*nis"tics\, n. Die Wissenschaft von athletischen Auseinandersetzungen oder Wettkämpfen bei öffentlichen Spielen. (Webster’s Wörterbuch von 1913)
Argumentation ist Krieg. In ihrem Buch »Metaphors We Live By« [Metaphern, von denen wir leben] erklären George Lakoff und Mark Johnson, inwiefern dies in metaphorischer Hinsicht zutrifft. Die Sprache, deren wir uns bedienen, um Argumente auszutauschen, ist die Sprache des Krieges. Wir ›attackieren‹ die Positionen unserer Gegner und ›verteidigen‹ unsere eigenen. Wir›schießen‹ die Argumente der Gegenseite ›ab‹. Wir sagen, bestimmte Behauptungen seien ›haltbar‹ oder ›unhaltbar‹. Wir sprechen davon, dass man eine Auseinandersetzung ›gewinnt‹ oder ›verliert‹. Beim Argumentieren verfolgen wir ›Taktiken‹ oder ›Strategien‹. Unsere Kritik ›trifft ihr Ziel‹ oder ›verfehlt‹ es. Wir ›gewinnen ‹ oder ›verlieren an Boden‹. Der springende Punkt ist, dass wir so nicht nur über Argumente sprechen, sondern uns genau so verhalten. Lakoff und Johnson legen uns nahe, eine Kultur in Erwägung zu ziehen, in der man Argumente nicht als verbalen Schlagabtausch begreift, sondern als kooperative Tänze: die Beteiligten sind keine Gegner, sondern Partner, und jede Gegenbewegung stellt eine ausgewogene, anmutige Reaktion dar. Dies wäre eine völlig andere Welt.
Natürlich ist das keine neue Idee. Seit langem schon haben Philosophen den konstruktiven, kooperativen Akt des Gesprächs (Dialektik) vom verbalen Schlagabtausch (Rhetorik) unterschieden. Doch das Problem bestand häufig darin, dass die Rhetorik die Dialektik dahinschmelzen lässt und wir es mit einem heftigem Wortgefecht statt mit einer vernünftigen Debatte zu tun haben, sobald die kühle Vernunft des Gesprächs auf hitzige Streitlust trifft. Was tun?
In den 1980er Jahren hatten Chantal Mouffe und Ernesto Laclau eine Idee: Warum sollte man die demokratische Diskussion nicht als einen Wettbewerb, als eine »agonistische« Aktivität, als Spiel begreifen? Die Gesellschaft wird als etwas Unmögliches erkannt, als Raum endloser Kontingenzen. Indem Mouffe und Laclau genau zwischen Differenzen und Konflikten unterschieden, artikulierten sie eine Demokratie, die nicht auf Feindseligkeiten beruht, in der die Parteien nicht miteinander verfeindet sind, sondern eine, die auf einem »Agonismus« basiert und bei der man einander auf konstruktive Weise gegenübersteht. Diese Theorie akzeptiert, dass sich die Demokratie nicht auf ›manierliche‹ Weise, d.h. ohne Raum für Konfrontationen und Stimmenvielfalt, organisieren lässt.
Bei dem Spiel »Agonistics« senden die Spieler über ein E-Mail-Programms Botschaften an ein oder mehrere öffentliche Online-Diskussionsforen (z.B. Usenet-Newsgruppen). Das System übersetzt die Sendungen der Spieler in ein grafisches Display. Je nach Inhalt und Beitrag der schriftlichen Botschaft, wird einem Spieler eine Position in einem Kreis zugewiesen. Ziel des Spieles ist es, Punkte zu sammeln und in den Mittelpunkt des Kreises vorzurücken. Punkte erzielen die Spieler dann, wenn sie in einem Dialog miteinander treten, d.h. indem sie gegenseitig auf die Botschaften anderer Spieler antworten oder diese zitieren. Gewonnen hat, wer mit möglichst vielen Mitspielern korrespondiert. Nach jeder neuen Botschaft an die Gruppe wird der Spielstand aktualisiert und die Liste der Teilnehmer bekannt gegeben. Durch die grafische Hervorhebung der Texte der Gewinner wird die Reaktion der Gruppe auf aktuelle Gesprächsthemen zum Ausdruck gebracht.
(Übers.: Nikolaus Schneider)
Warren Sack