Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser.

Themenicon: navigation pathKunst und Kinematografieicon: navigation pathBroodthaers
Das Museum der Attraktionen: Marcel Broodthaers und die »Section Cinéma«
Eric de Bruyn
 
 
 
 
 

 

Der Gedanke ist fast so alt wie das Medium selbst: Der Film ist vergleichbar mit einem Schreibprozeß. Mit ironischer Vorliebe kam Marcel Broodthaers im Laufe seiner kurzlebigen Karriere häufig auf diese Analogie zurück. In einem undatierten Manuskript mit dem Titel »Projet pour un texte« finden wir beispielsweise folgenden Kommentar: »Und hier bin ich, grausam hin- und hergerissen zwischen etwas Unbeweglichem, das schon geschrieben ist, und der komischen Bewegung, die 24 Bilder pro Sekunde in Gang hält.« [1] Und ein gleichnamiger Film von 1969 registriert den tragikomischen Effekt eines solchen Schreibens mit der Kamera. Der Film zeigt Broodthaers in seinem Garten, in das Schreiben eines Texts vertieft; der Text wird jedoch nie fertig, weil der Regen, der unablässig auf den Künstler herabfällt, die Tinte von dem Schreibpapier abwäscht. [Abb. 1]

Für Broodthaers funktionierte der Film als ein eigenartiges Werkzeug der gleichzeitigen Einschreibung und Auslöschung. Er war eine Erfindung des technologischen Zeitalters, einerseits eine Totgeburt, andererseits harrte er noch seiner wirklichen Geburt. Wir sollten daher den Film als ein Projekt betrachten,

 

statt als Projektion. »Ausgangspunkt meiner Ansichten wäre jene Auffassung vom Film, die das Konzept der Bewegung von sich weist«, schrieb der Künstler 1967. [2] Diesem Widerstand gegen die vorwärtsgerichtete Kraft des Films entsprach Broodthaers’ Ablehnung der narrativen Absorption im Kinofilm. Das diegetische Universum des klassischen Films mit seiner projektiven Einheit von Wort und Bild bietet dem Betrachter den Anblick einer räumlichen Totalität. Eine solche perzeptuelle »Eroberung des Raums« betrachtete Broodthaers aber stets mit großem Mißtrauen. Denn die verräumlichte Logik des klassischen Films ahmt letztlich die universelle Struktur der Warenform nach – eine Struktur, auf die, wie er betonte, das gesamte Feld der Kultur aufsetzt: »Wenn wir es hier mit Verdinglichung zu tun haben, dann ist Kunst eine spezielle Repräsentation dieses Phänomens – eine Form von Tautologie.« [3]

Broodthaers beobachtete oftmals, wie die kulturelle Sphäre nach und nach von einem Prozeß der Instrumentalisierung durchdrungen wurde. 1967 schrieb er noch halb im Scherz: »Der Filmstreifen ist ein Ort zur Bewahrung von Ideen – eine Konservendose

icon: next page