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Walter Ruttmann
»Weekend«

Walter Ruttmann
»Weekend«

Produktion: Reichsrundfunkgesellschaft u. Berliner Funkstunde Regie: Walter Ruttmann

Länge: 11 Minuten 10 Sekunden

Uraufführung: 15. Mai 1930, Berlin (Haus des Rundfunks; inteme Vorführung anläßlich der Fünf-Jahres-Feier der Reichsrundfunkgesellschaft)

Ursendung: 13. Juni 1930, 21 Uhr, über die Berliner und die Schlesische Funkstunde im Rahmen des Progranuns »Hörspiele auf Tonfilmen«, in dem auch das Hörspiel »Hallo! Hier Welle Erdballl« von Fritz Walther Bischoff ausgestrahlt wurde.

Anmerkung

WEEKEND wurde auf dem 2. Internationalen Kongreß des Unabhängigen Films in Brüssel (27. 11. –1.12. 1930) als ein Beispiel für die deutsche Schule des Avantgarde-Films aufgeführt.

Dokumente

Ruttmanns photographisches Hörspiel

Walter Ruttrnann wird dieser Tage in Mariendorf ein von ihm verfaßtes photographisches Hörspiel WEEKEND aufnehmen, das vom R~Reichsrundfunk und der Funkstunde, von Dr. Magnus und Funkintendant Dr. Flesch, in Auftrag gegeben worden ist. Das
Hörspiel wird in einer großen öffentlichen Veranstaltung, die voraussichtlich im Herrenhaus stattfinden wird, zum Vortrag gelangen und gleichzeitig auch von anderen Sendem zu Gehör gebracht werden.

Ruttmann, der seine Folge von sechs Hör-Szenen in drei Tagen aufnehmen will, wird mit Dilettanten und nicht mit Schauspielern arbeiten und neben den Tonatelieraufnahmen auch Außenaufnahmen in Berliner Fabriken, Untergrundbahnhöfen usw. machen. Wir bringen im folgenden den von Ruttmann skizzierten Verlauf des Hörspiels, das akustisch die Vorgänge des Wochenendes von der Beendigung der Arbeit am Sonnabend bis zum Wiederbeginn der Arbeit am Montag wiedergibt

WEEKEND

1) Jazz der Arbeit

Material:
Schreibmaschinen Telephonklingel Registrierkasse
verschiedene Maschinen Hämmern Sägen
Feilen Schmieden Diktieren Kommandos

Verlauf:
a) Heiterer fast rein musikalischer Jazz der Arbeitsgeräusche; rhythmisch stark durchgearbeiteter Kontrapunkt
b) Einfacherer Kontrapunkt: die einzelnen Geräusche in ihrer Dinglichkeit stärker charakterisiert.
c) Die ächzende Maschinerie der Arbeit: Überdruß, Qual der Arbeit, Erschöpfung. Maschine ritardando.

2) Feierabend

Uhr schlägt. Andere Uhren fallen kanonartig ein, Fabriksirrenen: fern – näher – nah.

Erlöste Schlußkadenz der Schreibmaschine. Pulte werden zugeklappt. Schubladen, Rolläden, Scherengitter geschlossen, Schlüsselbund klirrt, Türen faUen ins Schloß, Schlüssel wird knarrend umgedreht.

Dazwischen menschliche Stimmen: kichernde Mädchen, lachende Männer, Rufe: »Wiedersehen!« usw. Verplätschernd: eilige Schritte im Treppenhaus.


3) Fahrt ins Freie

Aus den Geräuschelementen des Abfahrens: Ankurbeln des Motorrades und Autos, Pfiff der Lokomotive, Klingel und Anfahren der Elektrischen, Rufe wie: »Einsteigen!«, »Beeilen bitte!«, Pfiff des Zugführers, Hupe und Anfahren des Autos, Signal des Posthorns, Peitschenknallen, Anfahren der Lokomotive, wird durch Montage eine Synthese des »Abfahrens« geschaffen, die in einen aus Eisenbahn, Auto, Pferdetrab und marschierenden Nagelschuhen kontrapunktierten Bewegungsrhythmus übergeht Dieser Rhythmus wird durch Wandervögel mit Zupfgeige (»Das Wandem ist des Müllers Lust«) aufgenommen.


4) Pastorale

In den in der Feme verhallenden Gesang der Wandervögel kräht ein Hahn, singen Vögel.
Ein Choral aus der Dorfkirche leitet eine Serie ländlicher Musikkomplexe ein, die »räumlich« ineinander übergeblendet werden: Während der eine in der Ferne verklingt, schwillt schon der nächste an.
Die Orgel der Dorfkirche überblendet in eine Drehorgel, es folgt ein Ringelreihen der Kinder. Schnadahüpfl mit Zither, eine marschierende Feuerwehrkapelle.
Diese Komplexe werden gegliedert und teilweise übertönt durch vorbeifahrende Autos, Hundegebell, Gänsegeschnatter usw.
Kuhglocken überblenden in das Läuten der Dorfglocken.


5) Wiederbeginn der Arbeit

Das Glockengeläute wird jäh unterbrochen durch Fabriksirenen. Wecker und Telephonklingeln klirren. Es folgt im Tempo gesteigert die Umkehrung des Teiles 2 (Feierabend).

6) Jazz der Arbeit

Umkehrung von Teil 1.

Lustloser, schwerfälliger Beginn des Arbeitsrhythmus, sentimental behindert durch Klangreminiszenzen aus der Pastorale.

Steigerung bis zu dem heiteren Arbeitsjazz des Anfangs.

Quelle: Film-Kurier, Berlin, Nr. 41, 15. Februar 1930